02.01.2017

Glücksschwein

Lucky Pig - Word of the Day - EVS Translations
Glücksschwein – Wort des Tages – EVS Translations

Man könnte vermutlich behaupten, dass das typisch viktorianische Feiertagsmahl ohne ein großes Pfefferminzschwein aus Hartbonbonmasse nicht vollständig wäre. Unterdessen gilt es in Deutschland und Österreich – obwohl der Brauch im Vergleich zum frühen 20. Jahrhundert ein wenig abgeebbt ist – immer noch als üblich, das neue Jahr mit dem Verzehr eines Schweins aus Marzipan zu begrüßen, welches man Glücksschwein nennt.

Natürlich sind Süßigkeiten an den Feiertagen ebenso wenig etwas Neues wie gute Wünsche für das neue Jahr, aber die Tatsache, dass es sich eben um ein Schwein und nicht etwa um ein anderes Tier handelt, spielt eine große Rolle.

Die Ursprünge der besonderen Bedeutung des Schweins lassen sich bis zu den altgermanischen Stämmen zurückverfolgen, die Mitteleuropa und das südliche Skandinavien bevölkerten. Ihnen galt der wilde Eber als heiliges Tier, welches die Stärke und die Fruchtbarkeit bewahrte. Obwohl dieser uralte Glaube bis zum Mittelalter nahezu ausgerottet war, wurde dem Schwein bis in jüngster Vergangenheit nach wie vor ein hoher Stellenwert beigemessen – allerdings aus anderen Gründen: Das Schwein warf nicht nur eine gute Menge Fleisch ab, sondern war aufgrund seiner außerordentlichen Fortpflanzungsfähigkeit und der Tatsache, dass es sich von Weidegras, Getreideresten und sogar landwirtschaftlichen Abfällen ernähren konnte, ein sehr wirtschaftliches Nutztier.

In der Vergangenheit war man der Ansicht, dass man umso wohlhabender und deshalb umso glücklicher war, je mehr Schweine man besaß. Wirft man einen Blick auf die deutsche Sprache, ist ersichtlich, dass dieser kulturell verwurzelte Glaube Einflüsse auf die Alltagssprache hatte. Beispielsweise nennt man die höchste Karte in einem Kartendeck die Sau, und wenn man im deutschsprachigen Raum davon redet, dass jemand Glück hatte, hat diese Person sprichwörtlich Schwein gehabt.

In der englischen Sprache wurde das Konzept des Glücksschweins zwar erst im 20. Jahrhundert berühmt. In John Steinbecks Früchte des Zorns heißt es etwa: „We was pig lucky“ („Wir hatten Schweineglück“). Doch ganz egal, ob das süße Schwein, das Sie am Jahresende genießen, nach britischer Manier aus hartem Pfefferminzbonbon oder gemäß der Tradition des deutschsprachigen Raumes aus weichem Marzipan besteht – erinnern Sie sich beim Verzehr daran, dass Sie in ein jahrtausendealtes Symbol des Glücks und des Wohlstands beißen.