26.05.2015

Juku

Juku - Wort des Tages - EVS Translations
Juku – Wort des Tages – EVS Translations

Das japanische Wort Juku wird häufig als „Paukschulen“ ins Deutsche übersetzt und wurde im Englischen das erste Mal 1931 in einem Artikel in der New York Times verwendet, dessen Titel sich wie folgt wiedergeben lässt: „Ein neuer Lehransatz gewinnt in Japan an Popularität. Obara, Begründer des Juku-Systems, erläutert dessen Ziele und äußert sich zu seiner Verbreitung.“ Die Beliebtheit von Juku nahm nach der Nachkriegszeit noch zu und heute stellen sie einen festen Bestandteil der japanischen Bildungslandschaft dar. Bei Juku handelt es sich um Privatunternehmen, die – je nachdem, welcher Typ gewählt wird – unterschiedliche Dienstleistungen bieten: Juku können den Schulunterricht ergänzen, zur Vorbereitung auf bestimmte Aufnahmeprüfungen dienen (z. B. Zulassungstests für die Oberstufe oder Universität) oder schwachen Schülern mit Nachhilfestunden dazu verhelfen, nicht den Anschluss zu verlieren.

Das japanische Bildungssystem ist für seinen Fokus auf dem Auswendiglernen und für seine langen Schultage bekannt. Viele Eltern, insbesondere Mütter, setzen alles daran, um ihre Kinder in prestigeträchtigen Schulen unterzubringen oder sie zu Bestnoten in den Fächern Mathematik, Englisch und Naturwissenschaften anzuspornen. Juku scheinen die Klischees in Bezug auf den Bildungswahn in Japan zu bestätigen, denn die Schüler lernen hier zumeist spätabends nach dem regulären Schulunterricht und auch an den Wochenenden. Doch ganz so einfach ist es nicht, ehrgeizige Eltern und Lernbesessenheit reichen als Erklärung für das Phänomen Juku nicht aus. Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass Juku heutzutage so weit verbreitet sind, und überzeugende Argumente sowohl für als auch gegen diese Einrichtungen.

Juku – Kritiker

Juku-Kritiker beklagen, dass die aberwitzig hohen Kosten, die oftmals mit dem Besuch von Juku verbunden sind, zu Bildungsungleichheit führt: Reiche Eltern können ihren Kindern die Inanspruchnahme dieses Bildungsangebotes ermöglichen, ärmere nicht. Kinder aus ärmeren Elternhäusern werden in puncto Schul- und Bildungserfolg so abgehängt. Das japanische Bildungswesen wird seit jeher von dem Prinzip der Gleichheit getragen und Juku passen nicht so recht zu diesem Ideal. Da sich ein auf dem Gleichheitsprinzip beruhendes Systems jedoch an der großen Mehrheit orientiert, haben Kinder, die nicht mit den anderen mithalten können oder ihnen weit voraus sind, oft das Nachsehen. Für diese Kinder, deren Bedürfnisse an regulären Schulen nur unzureichend befriedigt werden, können Juku genau das Richtige sein.

Juku – Befürworter

Juku-Befürworter argumentieren zudem, dass die Lehrmethoden in Juku innovativer sind als der althergebrachte Frontalunterricht an staatlichen Schulen. Natürlich kann nicht pauschal gesagt werden, dass alle Juku innovativeren Unterricht bieten, prinzipiell aber gilt: Juku sind auf Profit ausgerichtete Unternehmen (die nur dann Gewinne erzielen, wenn sie dafür sorgen, dass ihre Schüler die Zielvorgaben erreichen), sie müssen also durch innovative Lehransätze überzeugen. Die Schüler profitieren jedenfalls davon. Viele japanische Kinder genießen die besondere Lernatmosphäre in ihrem Juku und die innovativen Ansätze ihrer Lehrer. (Und natürlich nehmen sie auch gerne die Möglichkeit wahr, neue Freunde zu finden.)

Juku rauben Kindern die Kindheit – so lautet eines der wohl am meisten verbreiteten Argumente gegen Juku. Anstatt nach der Schule außerschulischen Aktivitäten nachzugehen oder mit Freunden zu spielen, müssen die Kinder lernen und Hausaufgaben machen. Es ist sicher nicht so, dass diese Aussage jeder Grundlage entbehrt, und viele Eltern gestehen sich wohl insgeheim ein, dass ihre Kinder nicht wirklich Kind sein dürfen. Es ist jedoch eine Tatsache, dass der Druck auf japanische Familien, (zumindest) mitzuhalten und nicht abzusteigen, immens ist. Um ihrer selbst und ihrer Kinder willen ist es für japanische Eltern daher von höchster Wichtigkeit, dass der Nachwuchs in die richtige Schule kommt und an der richtigen Uni studiert. Und nicht zuletzt wird der Druck dadurch erhöht, dass die Top-Unternehmen in Japan bei ihren jährlichen Rekrutierungsrunden weiterhin ausschließlich Studienabgänger der führenden Universitäten in Betracht ziehen.

Juku sind kein Symptom für eine Besessenheit mit Bildung an sich, sondern eher ein Anzeichen für die an Besessenheit grenzende Angst um den eigenen Status und die Sorge, dass das eigene Kind nicht mithalten kann. Solange das Bildungsministerium seine Lehrmethoden und -ansätze für den Schulunterricht nicht reformiert, werden Juku sicherlich weiterhin ein für viele Eltern notwendiger Bestandteil der Bildungskarriere ihrer Kinder sein.