16.08.2016

Synästhesie

Synästhesie – Wort des Tages - EVS Translations
Synästhesie – Wort des Tages – EVS Translations

Ist Ihnen schon einmal der Gedanke gekommen, dass Musik eine Farbe, ja sogar eine Form haben kann? Oder umgekehrt – wie klingt eine gerade, helle Linie auf dunklem Untergrund? Verrückt, oder? Nun, dieses Phänomen existiert nicht nur, sondern es sieht so aus, als wäre es schon eine ganze Weile vorhanden.

In der modernen Neurologie bezeichnet man mit Synästhesie das Empfinden, bezogen auf einen Sinn oder Teil des Körpers, das durch Stimulation eines anderen Sinnes oder Körperteils hervorgerufen wird. Und das ist nur die Definition, der erste Hinweis auf eine schriftliche Aufzeichnung im Englischen, als erste Deutung des Begriffs im Jahre 1891 in The century dictionary: „Synästhesie, die Auslösung einer Empfindung an einer Stelle bei Stimulation einer anderen Stelle.“

Der Begriff selbst stammt aus dem Griechischen, syn bedeutet ‘zusammen’ und aesthesis – ‘Empfindung, Gefühl.’

Philosophen und Denker interessiert das Phänomen bereits seit der Antike, man fragte sich, ob die Farbe der Musik messbar sei. Isaac Newton und Goethe („Farbenlehre“) gehörten später zu denen, die in ihren Studien über Musik- und Farbtöne sprachen, die gemeinsame Frequenzen aufwiesen.

Viele der bekanntesten Künstler unserer Zeit hatten Berichten zufolge Erfahrungen mit der Synästhesie und experimentierten damit auf die verschiedensten multisensorischen Arten.  Tatsächlich ist sie für Maler, Schriftsteller, Komponisten und Digitalkünstler eine starke Inspirationsquelle gewesen. Nabokov, Kandinsky, Scriabin, Duke Ellington, Nikola Tesla, David Hockney, Pharrell Williams, Charles Baudelaire und Arthur Rimbaud, um nur einige zu nennen, nutzten die Synästhesie in ihren Arbeiten. So verband Kandinsky vier Sinne miteinander – Farbsinn, Hörsinn, Tastsinn und Geruchssinn.

Neben ihrem experimentellen und abstrakten Charakter in künstlerischen Studien kann die Synästhesie auch praktisch angewendet werden. Zu den interessantesten Anwendungen gehört die herbeigeführte Reduzierung von Schmerz über ein Virtual-Reality-Programm. Grundsätzlich geht es hierbei darum, durch Synästhesie die Aufmerksamkeit des Patienten, der sich einer Behandlung unterzieht, vom Schmerz abzulenken durch Eintauchen in ein schmerzfreies Virtual-Reality-Szenario.

Synästhesie ist etwas Unwillkürliches und die meisten Synästheten erfahren sie in ihrer Kindheit. Sie beschreiben das Erlebnis als neutral oder angenehm. Die drei häufigsten Formen sind die Graphem-Farbsynästhesie, bei der Grapheme (kollektive Bezeichnung für Buchstaben und Zahlen) farbig gesehen werden; die Chromästhesie – bei der Klänge mit Farben assoziiert werden, und die räumliche Sequenzsynästhesie – bei der numerische Sequenzen als nahe oder weiter entfernte Punkte im Raum wahrgenommen werden.

Eine seltenere Form ist die lexikal-geschmackliche, mit der man die Beziehung zwischen Sprachlauten und den von ihnen hervorgerufenen sensorischen Empfindungen beschreibt und bei der Synästheten unterschiedliche Geschmackserfahrungen erleben, wenn sie bestimmte Wörter hören. So könnt beispielsweise das Wort Brexit nach Zitrone schmecken.