17.04.2019

Tiefe Bewunderung für einen illustren ungarischen Romandichter und einen überaus produktiven Übersetzer

Romandichter und Nachschlagewerke im EVS Translations Book Museum
Romandichter und Nachschlagewerke im EVS Translations Book Museum

Der bosnische Theater- und Filmregisseur Haris Pasovic sagte einmal: „Die Bedeutung der Kunst in einer Zeit des Leidens, einer Zeit des Krieges, ist sehr viel tiefer. Die Menschen sind viel fokussierter.” Heute, dank der Übersetzungsleistung des britischen Linguisten Robert Nisbet Bain, den Schriften von Móric Jókay de Ásva (außerhalb Ungarns besser bekannt als Maurus Jokai), und den Auswirkungen der Ungarischen Revolution von 1848, haben wir ein Werk, das, ähnlich wie Chaucers Canterbury Tales, über die Grenzen einer typischen Erzählung hinausgeht, gesellschaftskritisch ist, über Gebräuche und Lebensart berichtet, und das, und das ist der eigentliche Kern des Werks, die Schönheit, Eloquenz und Erhabenheit einer Sprache, ja einer Identität, ausdrückt, die, nachdem sie in der Moderne nach erster Anerkennung und Unabhängigkeit gesucht hat, erst kürzlich in einen zweitklassigen Status herabgewürdigt wurde.

Jedes Werk wird besser verständlich, wenn man den Autor versteht. Jokais persönliche Geschichte beginnt mit einem gebildeten Jugendlichen, der, nachdem er wegen seines ersten Stückes, Zsidó fiú (Der jüdische Junge) wahrgenommen worden war, nicht dem Wunsch seines Vaters entsprach, wie er einen Anwaltsberuf zu ergreifen, sondern 1845 in die ungarische Hauptstadt Pest zog. Dort schrieb Jokai 1846 sein erstes romantisches Werk, Hétköznapok (Arbeitstage) und erntete allgemeines Lob für etwas, das von den Kritikern als Werk eines wahren Genius bezeichnet wurde. Er wurde Herausgeber des führenden ungarischen Literaturjournals Életképek. Dieser Erfolg war leider mit der ungarischen Revolution von 1848 schnell zu Ende. Als glühender Nationalist kämpfte Jokai in seinen Schriften wie auch auf dem Schlachtfeld unermüdlich für die ungarische Identität und Souveränität. Zwar stand die Erlangung der Unabhängigkeit vom wankenden Kaiserreich Österreich kurz bevor, doch bald wendete sich das Blatt und die Aussicht auf den Sieg schwand dahin, weil das mit den Österreichern verbündete Russland auf den Kriegsschauplatz trat und die Rebellion der Ungarn niederschlug, bis zur traurigen Unterwerfung – sowohl national als auch persönlich, denn Jokai zog einen Selbstmord in Erwägung, um dem Gefängnis zu entgehen. Mit dem Verlust der Revolutionsbanner wurden Ansehen, Freiheiten und nationale Identität der Ungarn stark eingeschränkt und in diesem repressiven Umfeld beschloss Jokai, den man für einen Agent provocateur hielt und der von den Österreichern beobachtet wurde, sich der Aufgabe zu widmen, das geknechtete Ungarn durch die Schönheit und Eloquenz seiner Schriften neu zu beleben.

Die Geschichte, die er in Egy magyar nábob (Ein ungarischer Nabob) erzählt und die 1853 veröffentlicht wurde, ist im Wesentlichen die eines aristokratischen ungarischen Grundbesitzers, dessen Heirat mit einem jungen Mädchen, und ihre Versuche, die Intrigen seines dekadenten und ausschweifenden Erben zu vereiteln. So schlicht diese Geschichte auch erscheinen mag, ist sie doch eingebunden in das Wechselspiel einer bunt gemischten Gruppe von Charakteren, von Dienern und Gefährten bis hin zu Spielern und Zigeunern. Diese unterschiedlichen Charaktere erzählen ihre Geschichten, und so ist es nicht verwunderlich, dass das Werk selbst die unterschiedlichsten Darstellungen und Beschreibungen enthält, beispielsweise über die traditionelle Wahl des Pfingstkönigs, und Emotionen von der Tragödie über die Romanze bis hin zum Humor.

Dank dieser Achterbahn der Vielfältigkeit kann Jokai die volle Tiefe, Breite und Ausdrucksmöglichkeit der ungarischen Sprache nutzen, um eine mitreißende Geschichte zu erzählen und gleichzeitig die Sprache selbst zur Geltung zu bringen. Aber diese Geschichte wäre uns verbogen geblieben, wenn es nicht den Übersetzer Robert Nisbet Bain gegeben hätte. Bain wurde vom British Museum als Historiker und Linguist beschäftigt und hatte Kenntnisse in 20 Sprachen. Bain lernte das Werk Jokais auf Deutsch kennen und brachte sich selbst mit viel Fleiß und Energie Ungarisch bei, so dass er Jokai lesen konnte. Später wurde er der erfolgreichste Übersetzer ungarischer Werke ins Englische. Wie er in seinem Vorwort zur Übersetzung von Egy magyar nábob 1898 schrieb, und obwohl er gezwungen war, seine Übersetzung aufgrund eines überreichen Angebots in diesem Meisterwerk erheblich zu kürzen, führte seine „tiefe Bewunderung des illustren ungarischen Romandichters“ ihn zu der „innigen Überzeugung, dass von allen Autoren des Kontinents“ Jokai dem englischen Geschmack besonders entgegenkäme, weil seine Geschichte mit viel Humor und Romantik geschrieben und kein spezifischer Tendenzroman sei.

Eine seltene Erstausgabe der Übersetzung von Robert Nisbet Bain steht im EVS Translations Book Museum, einer Sammlung von Nachschlagewerken, welche die Bedeutung der Übersetzung von Gedanken und Wissen verdeutlicht, so dass sie auf der ganzen Welt verstanden und genutzt werden können.